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Ausschlaggebend für eine neue Stilrichtung, die sich in Wien etablieren sollte, war Otto Wagner, Gustav Klimt, Koloman Moser und natürlich auch Josef Hoffmann. Während Hoffmann und Moser die Wiener Werkstätte 1903 gründeten, bahnte sich generell eine Umwandlung und Neuschaffung im Stil der Kunst an.

Filiale der Wiener Werkstätte in Zürich, Bahnhofstraße 1, alte Ansicht, 1917, unbekannter Fotograf, Museum für angewandte Kunst, Wien, Foto © MAK

Hoffmann und andere Künstler und Architekten waren es leid den Trend, der seit den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts, der Historismus, (Neogotik, Neorenaissance, Neobarock, etc.) vorherrschte, weiter zu folgen und wanden sich diesem komplett ab. Das ,,Einfache‘‘ und ,,Praktische‘‘ sollte nun im Zentrum stehen. Geometrie und klare Linien waren vorherrschend. Zukünftige Kunstwerke, Designs, aber auch Gebäude sollten dem neuen geometrischen Jugendstil entsprechen.

Ein solches Bauwerk von Josef Hoffmann, welches in den Jahren von 1906 bis 1911 entworfen und gebaut wurde, ist das Palais Stoclet. Es ist in Brüssel, in der Region Brüssel-Hauptstadt zu bewundern. Bauherr und Auftraggeber war der Unternehmer Adolphe Stoclet.

Palais Stoclet in Brüssel, alte Ansicht, ca. 1911

Für dieses große Vorhaben, bei dem Josef Hoffmann schon Entwürfe 1905 fertigte, sollte er Unterstützung von Gustav Klimt und anderen Mitgliedern der Wiener Werkstätte bekommen. Klimt designte einen goldenen Fries für den Speisesaal des Palais. In der Kunstgeschichte sollte es als Stoclet-Fries bekannt werden.

Für die Ausführung des gesamten Palais hat man sehr kostbare Materialien verwendet, wie zum Beispiel norwegischen Turilimarmor für die Außenwände und gelbbraunen italienischen Paonazzomarmor für die Innenwände. Die einzelnen kubischen Baukörper hat Hoffmann mit Goldbronzen Leisten zusammengesetzt. So entstand der Eindruck einer schwerelosen Plattenmontage. Heute gilt Palais Stoclet als ein Meisterwerk Hoffmanns.

Teppich für das Palais Stoclet, Modell Glockenblume, Josef Hoffmann und Johann Backhausen & Söhne, Archiv Leopold Museum, 1907, Foto © Leopold Museum

Ein weiteres Gebäude Hoffmanns, welches große Berühmtheit erlangte und nicht in Brüssel, sondern in Hoffmanns Heimat, in Österreich, zu finden ist, war die Villa Primavesi. Diese Jugendstilvilla befindet sich in Wien, Gloriettegasse 14-16 in Hietzing.

Dieser repräsentative Bau wurde von 1913 bis 1915 für den industriellen Großgrundbesitzer und Reichstagsabgeordneten Robert Primavesi errichtet. Klare Linien und große Fenster machten die Villa nicht nur zu einem einladenden Haus, sondern auch zu einem gelungenen architektonischen Meisterwerk der damaligen Zeit.

Villa Primavesi, alte Ansicht, ca 1915 Foto © Austria Forum

Doch es ist besonders Hoffmanns Jugendstilgarten, der zusammen mit dem Haus eine ganz besondere Atmosphäre kreierte. In den 50er Jahren gab es eine Umgestaltung des Gartens, doch hat man ihn in seiner ursprünglichen Form kaum verändert. Als einer der bedeutendsten gartenarchitektonischen Denkmäler Österreichs ist er sogar im Denkmalschutzgesetz von Österreich genannt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat die Villa den Besitzer mehrmals gewechselt. Man hat sie als historisch so wertvoll angesehen, dass sie für einige Zeit sogar im Gespräch als offizielle Dienstvilla für den österreichischen Bundespräsidenten war. Kurz hatte man überlegt, die Villa an die Klavierfabirk Bösendorfer zu verkaufen. 2005 erwarb sie aber schließlich der Aluminiumindustrielle Peter König. Dieser ließ das Haus denkmalschutzgerecht sanieren, hat aber eine Tiefgarage für seine Oldtimersammlung hinzufügen lassen. Bis heute gilt die Villa Primavesi als eine der schönsten Jugendstilvillen in ganz Österreich.

Josef Franz Maria Hoffmann war ein sehr gefragter österreichischer Architekt und Designer. Zusammen mit Koloman Moser war er Mitbegründer und einer der Hauptvertreter der Wiener Secession und später der Wiener Werkstätte.

Josef Hoffmann, ca 1902

Er studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Karl von Hasenauer und Otto Wagner. In Wagners Büro lernte er Joseph Maria Olbrich kennen. 1897 haben sie zusammen mit 50 anderen Gründungsmitgliedern, die Wiener Secession gegründet. Präsident war Gustav Klimt. Die Wiener Secession prägte den Jugendstil weiter aus. Andere Künstler und Designer, die sich ebenfalls mit dem Jugendstil abseits der Wiener Secession auseinandersetzten, waren zum Beispiel der Hagenbund bei Michael Powolny oder bei Loetz.

Gruppenbild von Mitgliedern der Wiener Secession anläßlich der XIV. Ausstellung 1902: Anton Stark, Gustav Klimt (im Sessel), Kolo Moser (vor Klimt mit Hut), Adolf Böhm, Maximilian Lenz (liegend), Ernst Stöhr (mit Hut), Wilhelm List, Emil Orlik (sitzend), Maximilian Kurzweil (mit Kappe), Leopold Stolba, Carl Moll (liegend), Rudolf Bacher (von links nach rechts, Foto: Moriz Nähr / Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek)

Das beste Beispiel für diese Kunstrichtung in Wien, aus der Zeit des Fin de siècle, ist das von Joseph Maria Olbrich errichtete Ausstellungsgebäude der Secession. Mit seinem goldenen Blätterdach gilt es auch heute noch als eines der schönsten Gebäude Wiens.

Damals hatte sich der Ruf der neuen Kunst unüberhörbar und deutlich sichtbar materialisiert. Dem weichen, fließenden Secessionsstil war ein rascher und großer Erfolg beschieden.

Als Gründungsmitglied war auch Josef Hoffmann ein wichtiger Vertreter der Wiener Secession. Ein Beispiel dafür ist ein Armsessel, den Hoffmann zu Beginn des 20. Jahrhundert entwarf. Auftraggeber war die Firma Jacob und Josef Kohn. Der Sessel erschien in einer Werbung von Kohn im Katalog der 15. Wiener Secessions-Ausstellung. 1904 hat man das schöne Möbelstück sogar auf der Weltausstellung in St. Louis in den USA präsentiert. Einer dieser Armsessel war auch vor einiger Zeit im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer zu sehen.

Mehrere Armlehnsessel aus Bugholz bei einer Ausstellung

In dieser modernen Interpretation eines Fauteuils bezieht sich Hoffmann auf die gebogene Form eines Hufeisens. Den Rückenteil hat man nahtlos aus einer gebogenen Schale geformt und nutzte so alle Möglichkeiten der Bugholztechnik aus. Mit dieser kompakten Hülle verlieh Hoffmann dem Sessel eine formale Note. Er verzichtete allerdings nicht ganz auf einige dezente dekorative Elemente. Die angeordneten Messingnieten und die polierten Messingfüße lockerten das schlichte Design auf und verliehen dem Sessel eine elegante Verspieltheit. Hoffmann hat hier einen zeitlosen, modernen Klassiker entworfen.

Armlehnsessel im Detail mit angeordneten Messingnieten
Armlehnsessel

Doch die Wiener Secession sollte schon bald abgelöst werden. Denn die künstlerischen Wege waren in Wien bereits in den Jahren zuvor in entgegengesetzte Richtungen gelaufen. Der gepflegten Stilkunst mit ihrem pflanzlich-geschnörkelten Formenschatz stand einer anderen Überzeugung gegenüber, die in der Ästhetik der Vernunft und Zweckmäßigkeit wurzelte. Die Wiener Werkstätte sollte schon bald den Ton mit einer neuen Stilrichtung in der Kunst, Design und Architektur angeben.

Nach dem großen Erfolg der Pariser Weltausstellung von 1900 erlebte die Firma Loetz einen großen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Glasbläser kreierten neue, außergewöhnliche Vasen, die sich dem Dekor der Weltausstellung anschlossen.

Eine dieser Vasen, die man 1900 bis 1902 fertigte und auch zum ,,Phänomen Genre‘‘ dazugehört, ist unter dem namensgebenden Musterschnitt 802 bekannt. Sie ist mit ,,Loetz Austria‘‘ signiert, ist 21 cm hoch und 16 cm im Durchmesser.

Phänomen Genre 802

Manche Dekore sind mit unterschiedlichen Vasenformen kombiniert und man hat dadurch sehr ähnliche Varianten erschaffen. Diese ist eine davon. Bei dem ,,Phänomen Genre‘‘ 802 ist der vorliegende Dekor nur auf diese Vasenform appliziert. Er ist extrem selten. Nur wenige Exemplare sind bekannt. Zwei von ihnen befinden sich in Sammlungen von Museen. Eine ist im Bröhan Museum in Berlin, die andere steht im Passauer Glasmuseum. Eine weitere ist im Privatbesitz und eine steht im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer zum Verkauf.

Die Signatur (Loetz Austria) der Vase ,,Phänomen Genre 802”

Der Dekor ist überaus komplex und von außergewöhnlicher Schönheit. Die Vase hat einen hellrosafarbenen Grund (Loetz-interne Bezeichnung ,,metallroth‘‘). Auf der Wandung sind kobaltblaue, und im oberen Teil, silbergelbe Oxidbänder aufgesponnen. Danach hat man sie im heißen Zustand mit Zangen auf- und abwärts zu vier symmetrischen Federmustern verzogen. Die dadurch entstandene Oberfläche des Kunstwerks wirkt fast wie ein Strand mit seichtem Wasser. Als ob die Blautöne wie im Glanz der Südseesonne von hellblau bis hin zu türkis und an der Vasenöffnung violett schimmern. Beinahe könnte man glauben, dass man den Strand und das flache Meer einer Südseeinsel auf eine Loetz-Vase gesponnen hat.

Insgesamt bringt die klassische und elegante Vasenform den sehr komplexen und verspielten Dekor schön zur Geltung. Sie ist eine Meisterleistung der Loetz Werkstätte nach 1900.

Eine ganz andere Vase aus dem Jahr 1901 fällt besonders mit ihrer hohen gedrehten Form auf. Ursprünglich hat Christoph Dresser diese Vase für eine andere Glashütte entworfen. Loetz hat sie dann um 1900 in sein Produktionsprogramm aufgenommen. Sie ist mit ,,Loetz Austria‘‘ signiert und unter dem Namen Dekor Phänomen Genre ¼ bekannt.

Dekor Phänomen Genre 1/4

Die 32 cm hohe Vase sticht besonders durch ihre verjüngende Form nach oben hin auf. Dazu unterstreichen große Tropfenauflagen in unterschiedlicher Länge die Dynamik des gedrehten Glaskörpers und bilden einen einzigartigen Kontrast zum gleichmäßig verzogenen, horizontalen Dekor. Schimmerndes Silber, fast perlenfarben, überzieht ein Orange und Rostrot. Es sind Farben, die an einen Sonnenaufgang erinnern.

Eine weitere Vase, die um 1902 gefertigt ist, gehört zum Dekor ,,Argus‘‘ und ist eine der beliebtesten Varianten aus der Familie der Phänomen Genres. Silberoxidmuster lassen den Eindruck von eisblauen Augen auf rostrotem Hintergrund entstehen. Mit versponnen Silberkrösefäden zählt dieser hütteneigene Entwurf zu einem der anspruchsvollsten Dekore.

Dekor Argus aus dem Jahr 1902

Die böhmische Glasmanufaktur hat sich hier stark an dem sezessionistischen Stil orientiert und inspirieren lassen. Die Künstlervereinigung Wiener Secession war eine Künstlergruppe, darunter auch Gustav Klimt, die damals die ästhetische Avantgarde in Wien darstellte.

Die schimmernden Silberpartikel scheinen wie auf einer bewegten Wasseroberfläche zu schweben, wobei die bläulichen Silberfäden wellenartig ondulieren und dem Muster eine gleichmäßige Dynamik verleihen. Besonders schön kommt der aufgesponnene Dekor auf dem haselnussbraunen Grund zur Geltung, der nach unten hin graduell zu einem helleren Farbton verläuft.

Dekor ,,Argus‘‘ deswegen, weil das Muster an Augen erinnert. Argus ist ein Riese aus der griechischen Mythologie, der am ganzen Körper Augen besaß. Selbst wenn er schlief, blieben einige Augen offen und konnten wachsam alles um sich herum beobachten. Als Zeus sich eine neue Geliebte suchte und seine Wahl auf Io traf, ließ seine eifersüchtige Gattin Hera, Io von Argus bewachen, damit Zeus sie nicht verführte.

Gut zu erkennen: Das Muster des Dekors Argus, das seinen Ursprung aus einer Geschichte der griechischen Mythologie hat.

Der König der Götter schickte allerdings Hermes zu Argus, der den göttlichen Mächten nicht gewachsen war. Hermes tötete Argus und Zeus verführte Io. Hera hatte Mitleid mit Argus und machte ihn auf eine gewisse Weise unsterblich. Sie setzte all seine Augen auf das Gefieder der Pfaue. Diese sollten von nun an Beschützer und Begleiter der Königin des Olymps sein.

So tragen, wie das schöne Gefieder der Pfaue, blau und grün schimmernd, auch Loetz Vasen die göttlichen Attribute der Hera und machen sie um so mehr zu unsterblichen Kunstobjekten.

Die harte Arbeit von Spaun und all seinen MitarbeiterInnen endete mit einem großen Erfolg. KritikerInnen und die Presse lobten seine Glasvasen auf das höchste. Der Grand Prix der Weltausstellung war ein Preis, der zuvor nur an Größen wie Gallé oder Tiffany verliehen wurde. Hofstötter und Prochaska wurden ebenfalls für ihre Arbeiten ausgezeichnet. Neben all den Erfolgen brachte die Pariser Weltausstellung natürlich auch einen großen wirtschaftlichen Erfolg für die Firma Loetz.  

Eine andere Vase, mit dem Loetz auf der Weltausstellung den Durchbruch erlangte, war der Dekor Phänomen Genre 384.  Diese Vase war nicht bekannt als das neue Buch von Ernst Ploil und Toby Sharp veröffentlicht wurde. (Lötz 1900, von Ernst Ploil und Toby Sharp, im Kinsky editionen) Zuvor war nur der Musterschnitt bekannt. Als sie dann auftauchte, entsprach sie mit ihren Maßen genau der Skala auf besagtem Musterschnitt. Sie war vermutlich ein hütteneigener Dekor von Loetz. Vergleichsweise zu anderen Loetz-Vasen ist diese recht groß und in einer floralen und Jugendstil-ähnlichen Form gearbeitet. Durch das aufwendige Handwerk und der vor allem kunstvollen Irisierung, wurde diese Arbeit zu einem außergewöhnlichen Objekt.

Dekor Phänomen Genre 384

Der Dekor besteht aus einer Vielzahl an Überfängen aus grünen, braunen, weißen und blauen Fäden, welche auf das noch unaufgeblasene Wertstück aufgesponnen und anschließend kunstvoll verzogen wurde. Diese einzigartige Mischung ergibt den goldenen Schimmer der Vase, ein fließendes Muster, welches von hellgrün, auf goldgelb und hellbraunen Tönen übergeht. Dazu verlaufen dunklere Ströme auf der Oberfläche des Dekors. Diese erzeugen einen verspielten Rhythmus, der der Vase eine besondere Schönheit verleiht.

Bauch der Vase im Detail. Überfänge der grünen, weißen, braunen und blauen Fäden gut erkennbar
Kopf der Vase im Detail

Mit Kosten von 70 Francs gehörte die Vase damals preislich zu den teuersten Werkstücken, die angeboten wurden. Der aufwändige Dekor harmoniert perfekt mit der beachtlichen Größe. Dieses Werkstück, so wie Genre 387 ,,Rosa mit Silber‘‘ ist ein weiteres Beispiel für die Glaskunst der Werkstätte Loetz. Sie sollten die wesentlich teureren Glasobjekte Tiffanys auf der Pariser Weltausstellung in den Schatten stellen, was ihnen auch gelang.

Nachdem Max Ritter von Spaun, Enkel von Susanne Gerstner, das Unternehmen im Jahr 1879 übernahm, erzielte die Firma zwar beträchtliche wirtschaftliche Erfolge, aber die angestrebte künstlerische und internationale Reputation blieb aus. Die hütteneigenen Entwürfe waren zu einseitig und es fehlte an künstlerischem Einfluss von außen.

Doch dies sollte sich mit neuer Unternehmensstrategie ändern. Spaun ließ Artikel für Kunstzeitschriften verfassen, in denen er die neuesten Kreationen der Glashütte vorstellen ließ. Mit der Intention die Bekanntheit des Unternehmens zu steigern, verschenkte er auch auserwählte Glaskreationen an Museen und einflussreiche Unternehmer.

Maximilian von Spaun, der Enkel von Johann Loetz

Schlussendlich waren die entstehenden Kooperationen mit großen Institutionen wie der Wiener Kunstgewerbeschule, den Wiener Künstlervereinigungen Künstlerhaus und Secession entscheidend. Ganz besonders war die Zusammenarbeit mit großen Wiener Glasverlegern wie J. & L. Lobmeyr und E. Bakalowits Söhne hervorzuheben.

1896 konnten sich österreichische Unternehmen für die anstehende Pariser Weltausstellung bewerben und Spaun setzte alles daran, eine Genehmigung für eine Teilnahme zu erhalten. Im März 1896 war es schließlich so weit: Die Glasfabrik Johann Loetz Witwe bekam eine Zusage für die große Weltausstellung.

In den kommenden vier Jahren änderte Spaun die gesamte kaufmännische und künstlerische Strategie von Loetz. Sein Ziel war eine erfolgreiche Teilnahme an der Pariser Weltausstellung. Es war zwar nicht die einzige Ausstellung an der Spaun in diesen Jahren teilnahm, aber wohl die mit Abstand Bedeutendste. Besonders in den Jahren 1898 bis 1900 wurden einige neue Glasverarbeitungsmethoden sowie Farbvariationen, chemische als auch technische Errungenschaften forciert. Viele davon wurden auch als Muster und Privilegien (Patente) registriert.

In der Glasfabrik, Maximilian von Spaun ist links im Bild

Zeitgleich verfolgte Spaun mit großer Begeisterung den US-amerikanische Glasproduzent Louis Comfort Tiffany, dessen ,,Favrile‘‘-Gläser in mehreren europäischen Städten ausgestellt wurden. Das irisierende Glas zog die Europäer wie auch Spaun in ihren Bann. Der große Erfolg des amerikanischen ,,Favrile‘‘ Glases inspirierte Spaun in seiner Glashütte selbst irisierende Kunstgläser herzustellen. Urheberrechtlich war dies damals nicht verboten. Er demonstrierte der Welt, dass Loetz genauso hochwertige irisierende Kunstgläser wie die internationale Konkurrenz herstellen konnte.

Doch Spaun wollte den internationalen Trend nicht einfach kopieren und fügte seine eigenen moderneren Akzente hinzu. Seine Vasen beruhten auf traditionellen Formen, welche er mit Verdrehungen und gewellten Muster abänderte. Für die Entwürfe der Weltausstellungskollektion beauftragte Spaun einen eher unbekannten Künstler: den jungen süddeutschen Maler Franz Hofstötter.

Hofstötter sollte 100 Vasen für die Pariser Weltausstellung entwerfen. Spaun war es wichtig, dass einerseits die technischen Neuerungen seiner Glasfabrik hervorgehoben werden und andererseits moderne, außergewöhnliche Vasenformen in Hofstötters Entwürfen im Vordergrund stünden. Ausschlaggebend und worin Hofstötter auch brillierte, waren seine Designs für das irisierende Oberflächendekor. Die Muster sollten dem mitteleuropäischen Trend wiedergeben, aber eben eine ganz eigene künstlerische und moderne Interpretation vermitteln.

Vase von Johann Loetz Witwe, Entwurf von Robert Holubetz, Dekor von Franz Hofstötter für die Weltausstellung in Paris, um 1901
Vase mit zwei Hänkeln von Johann Loetz Witwe, Form von Robert Holubetz, Dekor von Franz Hofstötter, um 1901

Neben diesen Aspekten war auch die Farbgebung vieler Glasvasen neu. Hierfür war Eduard Prochaska (Geschäftsführer von Loetz) ausschlaggebend. Aufgrund seiner Glas-technischen und handwerklichen Kenntnisse, konnten er und seine Mitarbeiter genau entscheiden, wie die kreativen Ideen Hofstötters in die Tat umgesetzt werden konnten.

Insgesamt hob sich die Kollektion für die Weltausstellung von früheren Loetz Vasen, darunter auch einigen Glasschalen und Tellern, stark ab. Zwar gab es einige Glasobjekte, die technisch, formal und farblich nicht gänzlich neu waren, und zum Beispiel auf ältere Modelle zurückgriffen, doch waren viele der Ausstellungsstücke außergewöhnlich und innovativ.

Zweifelsfrei gehört der Dekor Phänomen Genre 387 Rosa mit Silber zu einer dieser Vasen. Sie ist signiert und ist eine der berühmtesten Arbeiten von Loetz, welche auf der Pariser Weltausstellung zu sehen war.

Dekor Phänomen Genre 387

Form und Dekor der 47 cm hohen Vase stammen aus der Feder Franz Hofstötters. So einen komplexen Dekorentwurf auf eine so große Vase zu bannen, war selbst für die Meisterglasbläser der Firma Loetz Witwe eine Herausforderung. Die erfolgreiche Durchführung war das beste Beispiel der meisterlichen Handwerkskunst der ArbeiterInnen. Das Ausstellungsphänomen Genre 387 wurde explizit für diesen Formentwurf entwickelt. Dies lässt dich aus derselben Nummer von Musterschnitt und Dekor ableiten.

Dekor Phänomen Genre 387 im Detail

Kennzeichnend für die Arbeit von Franz Hofstötter ist die typische naturalistische und symbolische Oberflächengestaltung. Der Fuß der Vase, welcher in einem dunklen Ton gehalten ist, kann als Erde verstanden werden. Der Übergang in die blauen und silbergelben Fäden, die sich an dem Korpus der Vase wie Windströme schlängeln, wird als Luft und Atmosphäre interpretiert. Als darauffolgender Abschluss ist der Rest der Vase in orangerot gehalten und stellt das himmlische Feuer dar. All jene Elemente, Erde, Luft und Feuer, sind Voraussetzung für die Erzeugung von irisierendem Glas und müssen geschickt kombiniert werden, um ein solches Kunstwerk zu schaffen.

Mit einer Kreation wie dieser, sollten die Kunstgläser von Louis Comfort Tiffany in den Schatten gestellt werden. Dies ist Loetz auch gelungen. Es war jene und andere Vasen, die ihm bei der Weltausstellung 1900 in Paris nicht nur die höchste Auszeichnung einbrachte, den Grand Prix, sondern auch den internationalen Durchbruch.

Bereits in den 1930er Jahren wurden in der Werkstätte Hagenauer Kunstobjekte aus Holz hergestellt. Es waren aber vor allem die 50er Jahre in denen Holzfiguren immer beliebter wurden.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und einer daraus resultierenden turbulenten Zeit, normalisierte sich die Situation in der Werkstätte Hagenauer schön langsam wieder. Messingteile wurden nun nicht mehr als Rüstungsteile verwertet, sondern dienten wieder der Herstellung von Kunstobjekten und Haushaltsgegenständen. Die Wirtschaft begann sich langsam zu rehabilitieren und Franz Hagenauer kehrte aus dem Krieg zurück.

In der Nachkriegszeit waren viele Möbel aus Holz gefragt und so schaffte es Franz seinen Bruder Karl davon zu überzeugen, eine weitere, zweite Filiale am Mirabellplatz in Salzburg zu eröffnen mit der dazugehörigen Drechslerei in Fuschl am See. Dort wurden unter anderem auch Holzmöbel hergestellt und aus kleineren Holzstücken die bekannten Tierfiguren gedrechselt.

Anfangs stellte man besonders viele Katzen, Hunde, Vögel, Pferde und unterschiedliche Waldtiere wie Füchse her, für die vorrangig Nuss und Ahorn verwendet wurden. Später, im Laufe der 1950er Jahre, wurden exotische Motive in Österreich immer populärer. Es war eine Art des Fernwehs, um den damals noch schwierigen Zeiten in Europa scheinbar zu entfliehen. Man verband tropische Orte und deren Fauna und Flora mit positiven Emotionen. Man stellte sich die weit entfernten Gegenden als naturbelassene Paradiese vor, in denen immer Sommer herrschte.

Bison aus Nussholz, um 1950
Fuchs aus Holz im Detail

Während dieser Zeit begann auch die Werkstätte Hagenauer Figuren von Afrikanern, Indern und Asiaten sowie exotischer Tiere herzustellen, die bei vielen Kunden besonderen Anklang fanden. Eisbären aus weißem Ahorn, Elefanten aus Nussholz, Leoparden aus Edelholz, oder Springböcke und Gazellen waren nur einige der Tiere aus fernen Ländern, welche die Werkstätte drechselte und teils auch schnitzte.

Gazellenkopf, aus Nussholz, um 1950
Eisbärenmutter mit Junges aus weißem Ahorn

Die Darstellung der Tiere ist stark stilisiert und reduziert, die Form jedoch klar herausgearbeitet und gut zu erkennen. Abgesehen der Ohren und Nasen sind andere Details meistens nicht ausgearbeitet. Diese Reduktion der Formensprache war sehr typisch für die meisterliche Gestaltung der Entwürfe Hagenauers.

Eine außergewöhnliche Figur ist sicherlich der Panther am Baum, der um 1950 herum aus Walnussholz gefertigt wurde. Die Größe der Wildkatze und des Baumstumpfes, auf dem sie ruht, macht die Tierfigur zu einer Rarität der Hagenauer Werkstätte. Die Darstellung ist wie gewohnt stark stilisiert, allerdings sind hier einige Details sehr fein herausgearbeitet. Die Ohren sind klar rundlich geschnitzt, die Pfoten, die Schnauze und Maul deutlich hervorgehoben.

Panther am Baum, ca 1950

Insgesamt entsteht ein schöner Kontrast durch die Kombination des dunklen Tierkörpers und dem helleren Holz des Astes. Ein zusätzlicher spannender Effekt ergibt sich durch die leichte Spiegelung der Wildkatze und Ast im polierten Messing an der Basis. Der Betrachter kann sich direkt vorstellen, wie das Raubtier über dem Wasser die Abendsonne im Dschungel genießt. In dieser außergewöhnlichen Figur verschmilzt ein eleganter Entwurf mit hochqualitativer Ausführung, welche Fernweh in jedem Betrachter erweckt.

Panther am Baum mit sichtbarer Spiegelung.
Panther am Baum im Detail.
Panther am Baum von vorne.

Im Jahr 1971, im Rahmen der Retrospektive, wurden im MAK (Museum für Angewandte Kunst) Arbeiten aus der Zwischenkriegszeit präsentiert, deren Ursprung man Franz Hagenauer zuordnen kann. Diese Büsten und lebensgroße Figuren haben schon seit den 1920er Jahren an Beliebtheit gewonnen, welche manchmal auch als Schaufensterdekorationen Verwendung fanden. Im Vergleich zu industriell gefertigten Schaufensterpuppen aus Kunststoff waren die Büsten und Figuren wertvolle Einzelstücke. Insgesamt wurden sie auch in einer avantgardistischen Gestaltung entworfen, was für ihre Besonderheit spricht. Die kleinen Modellbüsten, oft auch mit Händen und Fingern gefertigt, waren bei Juwelieren beliebt. Sie schmückten diese mit Ringen, Ketten, Armbänder oder Armbanduhren. Diese Stücke waren Kunst- und Funktionsobjekt zugleich.

Fotografie, Schaufensterdekoration für Hüte und Schmuck, weibliche Büste mit Hand, Alpaka getrieben. Archiv Hagenauer, MAK, Wien.
Fotografie, Metallplastik, weibliche Büste, Schaufensterdekoration für Schmuck, Hüte, etc. Archiv Hagenauer, MAK, Wien.

Eher seltener waren lebensgroße, fast übergroße Ganzkörpermodelle, sogenannte ,,Mannequins‘‘. Manche von ihnen waren sogar über zwei Meter groß. Ein aus Alpaka getriebenes Modell, mit einem Auftraggeber aus dem Ausland, soll umgerechnet über 4700 Euro gekostet haben und gehört demnach zu einem sehr teuren Objekt für die damalige Zeit. Solche Figuren waren für exklusive Kunden auf Anfrage vorbehalten.

Fotografie, Schaufensterdekoration, weibliche Figur, stehend, Alpaka getrieben, Email. Archiv Hagenauer, MAK, Wien.
Fotografie, Schaufensterdekoration, weibliche Figur, stehend, Alpaka getrieben, Email. Archiv Hagenauer, MAK, Wien.

In den 70er und 80er Jahren griff Franz Hagenauer die lebensgroßen Modelle und Büsten wieder auf. Es waren Adaptionen der Standfiguren aus den 30er Jahren. Allerdings schwand ihre formelle Bedeutung und ihr praktischer Nutzen wurde aufgehoben. Sie wurden zu ihrer ganz eigenen Klasse neuer Kunstwerke aus dem Haus Hagenauer. Skulpturen einer eleganten Vergangenheit nachempfunden und einer neuen Zeit angepasst.

Damenbüste mit Perlenkette, ca 1970. Beide Werkstücke wurden vor kurzem im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer angeboten.
Damenbüste mit roten Lippen, ca 1970

Solch eine große Skulptur aus dem Jahr 1970 ist der ,,Lebensgroße Trompetenspieler‘‘, welcher 183 cm hoch ist. Aus Messing getrieben, gebogen und ziseliert kommt hier die meisterhafte Ausführung der Werkstätte Hagenauer zum Ausdruck. Der Trompetenspieler verkörpert eine Hingabe an die Kunst, welche die Leidenschaft und das Talent seines Meisters Franz Hagenauer nachahmt. Mit viel Liebe zum Detail gestaltete Franz Hagenauer die Garderobe des Musikers mit zarten Ziselierungen und mit hervortretenden Applikationen, die so besonders plastisch wirken.

Lebensgroßer Trompetenspieler, ca 1970. Dieses Werkstück wird zur Zeit im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer zum Verkauf angeboten.
Lebensgroßer Trompetenspieler im Detail

Ein weiteres Meisterwerk der großen Figuren von Franz Hagenauer ist der ,,Lebensgroße Pianospieler“. Hier gelang es Hagenauer die körperlichen Merkmale auf eine flache, beinahe zweidimensionale Ebene zu reduzieren. Diese Art der Gestaltung ist besonders charakteristisch für die späte Schaffensperiode der Werkstätte Hagenauer.

Lebensgroßer Pianospieler, ca 1970. Dieses Werkstück wurde vor kurzem im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer angeboten.
Lebensgroßer Pianospieler im Detail mit gut erkennbarem flachen Gesicht

Eine Büste aus dieser späten Schaffensphase ist die ,,Große Doppelbüste‘‘ und ist vermutlich um das Jahr 1980 entstanden. Auch sie beruht auf Vorlagen aus der Zwischenkriegszeit. Bei dieser Doppelbüste stellte Franz Hagenauer zwei Frauenköpfe nebeneinander. Die beiden geneigten Köpfe, Wange an Wange in innigem Gleichklang, berühren einander fast und strahlen eine enge Verbundenheit aus. Bei diesem Werk kommen Franz Hagenauers Qualitäten als Bildhauer zum Vorschein, die er sich über die Jahrzehnte angeeignet hat.

Große Doppelbüste, ca 1980. Dieses Werkstück wurde vor kurzem in Kunsthandel Nikolaus Kolhammer angeboten.

Meisterhaft aus einem Stück Messing getrieben, behielt Hagenauer den futuristischen Charakter bei und entwickelte hier radikal reduzierte Köpfe weiter. Er lockerte das Erscheinungsbild der Plastiken mit Attributen wie der stilisierten Nasenpartie und den fließenden und wellenförmigen Locken auf. Mit diesem Spätwerk entwarf Franz Hagenauer eine Skulptur von starker Ausstrahlung und schließt gewissermaßen den künstlerischen Kreis von seinen bildhauerischen Anfängen bis hin zum reifen Alterswerk.

Im Jahr 1931 erschien Franz Hagenauers Name als Metallbildhauer erstmals in der ,,Lehmann’s Allgemeiner Wohnungs-Anzeige‘‘. Er war in der Bernardgasse Nummer 7. im siebten Bezirk als Metallbildhauer angesiedelt und wie schon in einem vorangegangenen Blogpost erwähnt (Franz Hagenauer und der Traum der Bildhauerei – kolhammer.com) war es sein großer Traum Bildhauer zu werden, den er sich auch erfüllte.

Besonders am Ende der 1920er Jahre und zu Anfang der 1930er Jahre begann Franz Hagenauer mit den Kreationen seiner berühmten Kopfplastiken, die ihn sein Leben lang begleiten sollten.

Zwei sehr früh dokumentierte Werke von Franz Hagenauer, aus Alpaka getriebene halb-plastische Köpfe, stammen vermutlich aus dem Jahr 1928, die mit  dem Monogramm ,,FH‘‘ markiert sind. Für lange Zeit war eine von ihnen in der Sammlung Andy Warhols, fand aber über den Kunsthandel ihren Weg zurück nach Österreich. Sie sind jetzt beide in der Sammlung Leopold zu finden und zwei der ersten getriebenen Köpfe von Franz Hagenauer.

Aus Messing getriebener und versilberter Kopf mit ‘vorlauten’ Locken. Privatsammlung der Familie Leopold. Leopold-Museum Wien.

Ein anderes Objekt, welches noch früher datiert ist, ist eine frühe Kopfskulptur, und wurde wahrscheinlich zwischen 1925 und 1930 gefertigt. Diese Figur könnte im Rahmen der Pariser Weltausstellung von 1925 entstanden sein. Anton Hanak und seine Schüler, zu denen auch Franz Hagenauer zählte, kreierten damals einen sogenannten ,,Kultraum‘‘, welcher von Werken der Schüler bestückt wurde.

Der Kultraum von 1925
Detailansischt des Kultraums von 1925

Jener Kopf gehörte höchstwahrscheinlich auch zu dem besonderen Kultraum. Wie bei anderen Arbeiten auch war hier die Verarbeitung äußerst aufwendig. Getriebener Messing, Kupfer und Email kamen hier zum Einsatz. Kennzeichnend, dass es sich um ein Frühwerk handelt, kann man an den stark detailliert gearbeiteten Gesichtszügen erkennen.

Frühe Kopfskulptur aus getriebenem Messing, Kupfer und Email, ca 1930. Vor kurzem wurde dieses Werkstück im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer angeboten.

Im Gegensatz dazu steht ein Schlüsselwerk aus den 1930er Jahren. Der Doppelkopf aus Alpaka getrieben, weist eine extreme Reduktion in der abstrahierten Kopfform und den Gesichtszügen auf. Dieses Werk weist den Weg für viele kommende Werkstücke von Franz Hagenauer, die er bis in die 1980er Jahre fertigen sollte. Es ist mit ,,FRANZ‘‘ bezeichnet, dem Monogramm ,,HF‘‘ und mit der Zahl ,,36‘‘ weist es wahrscheinlich auf das Entstehungsjahr hin.

Franz Hagenauer, Doppelkopf aus Alpaka, 1936, Art in Words, Wien Leopold Museum, (Sammlung Breinsberg, Foto: Christian Schindle, Pixelstorm, Caja Hagenauer, Wien)

Ein ähnliches Werk aus der gleichen Zeit ist ein Kopf mit Stehkragen. Meisterhaft aus einem Stück Alpaka getrieben, zeigt es die Entwurfsgewalt des jungen Franz Hagenauers und dessen bildhauerische Qualitäten. Inspiriert von der zeitgenössischen Avantgarde und dem Futurismus reduzierte er hier die anatomischen Formen radikal und verknappte sie stereometrisch auf einen ovoiden Kopf und einen zylindrischen Hals.

So mutet der schmucklose Kopf gleichsam archaisch an und seine kompromisslose Reduktion verleiht ihm eine zeitlose Strahlkraft. Einzige Gestaltungselemente an diesem hermetischen Männerkopf sind der angedeutete Haaransatz und das reduzierte Ohr. Das einzige sichtbare dekorative Accessoire ist ein stilisierter Stehkragen.

Kopf mit Stehkragen, ca 1937. Vor kurzem wurde dieses Werkstück im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer angeboten.

Messing war vor allem, im Vergleich zu anderen Materialien, einfach zu reinigen und hatte vor allem einen deutlich niedrigeren Kaufpreis. Die Werkstätte Hagenauer erzielte durch sehr viele Messingprodukte eine sehr viel breitere Kundschaft.

Im Vergleich dazu stand die Wiener Werkstätte besonders nach dem Ersten Weltkrieg zunehmend unter Kritik. Die Philosophie der Wiener Werkstätte, deren Exklusivität und die Zielgruppe der Reichen und Großindustriellen wirkte veraltet. Besonders in der Nachkriegszeit, als sich europaweit und in Amerika die Gesellschaft und Politik stark veränderte. So beschrieben KritikerInnen der Wiener Kunstschau von 1920, die Wiener Werkstätte als unzeitgemäß und nicht den geänderten politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst.

Der Wiener Werkstätte setzte man den Makel an, dass sie immer noch auf Dekoration und Ornament beruhte. Sie wurden 1925 von dem zeitgenössischen Kritiker Armand Weiser kritisiert: ‚Eine zur Schaustellung von Überfluss und Luxus‘ zu sein.

Entwurfszeichnung des Spiegelrahmens: Hund, Katze, Maus

Im Kontrast stand hier die Werkstätte Hagenauer, welche Verzierungen schon stark reduzierte. Ihre Kreationen verliefen sich nicht in Ornamentik. Dies kam der Werkstätte Hagenauer zugute. Sie wurden als wegweisend gelobt. Sie erfüllten die sich verändernden künstlerischen und gesellschaftlichen Anforderungen der damaligen Zeit.

Spiegelrahmen: Hund, Katze, Maus

Ein sehr treffendes Beispiel hierfür war ein Spiegel, betitelt: Hund, Katze, Maus, welcher um das Jahr 1930 entworfen wurde. Der Spiegelrahmen zeigt eine spannende Verfolgungsjagd der drei Tiere. Mit einem ausgesprochenen feinen Sinn für Humor gestaltete Karl Hagenauer solche witzigen Episoden, die manche seiner Objekte charmant verzierten. Die comichaften und reduzierten Details, zeigten Karl Hagenauers Meisterschaft der stilistischen Reduktion, wofür die Werkstätte Hagenauer bekannt werden sollte.

Spiegelrahmen im Detail mit Katze

Ein weiterer Aspekt, welcher der Werkstätte Hagenauer zugutekam, war der flexible Preisrahmen, in dem die Objekte angeboten wurden. Es gab Werke und Kunstgegenstände für Jedermann zu erwerben. Um vier Schilling gab es eine schöne Aschenschale zu kaufen. Um 18 Schilling eine elegante Buchstütze. Aber es gab auch Objekte wie ein prachtvoller Kaminleuchter um 320 Schilling oder eine große Stehlampe um 600 Schilling.

KritikerInnen waren kontinuierlich von den Stücken der Werkstätte Hagenauer fasziniert. So schrieb zum Beispiel Weiser in einer Ausgabe der Deutsche Kunst und Dekoration von 1925 folgendes: „Jedes ihrer Stücke ist von vollendeter Ausführung und gibt in Form und Farbe alle Vorzüge einer leicht beherrschten Technik wieder. Durch Heraushämmern und blattförmiges Beschneiden der ausgeschweiften Ränder ist wiederholt eine Silhouettierung gegeben.“

Wie dieser Bericht zeigte, ist besonders die Ausführung eines Designs und das kunstgerechte Können von außerordentlich wichtiger Bedeutung. Es war die handwerkliche Qualität, welche sehr begeisterte. Diese technischen und werkgerechten Hintergründe waren auch wichtige Aspekte bei Ausstellungen. Auf der Pariser Weltausstellung von 1925 war die Werkstätte Hagenauer mit Entwürfen von Karl vertreten. Seine Objekte wurden mit Medaillen für ihre technischen und handwerklichen Ausführungen prämiert ausgezeichnet.

Die 1920er Jahre waren wirtschaftlich eine Zeit des Aufschwungs und dies spiegelte sich auch bei der Werkstätte Hagenauer wider. Schalen, Dosen, Aufsätze und diverse Gebrauchsgegenstände wie Tintenfässer, Schreibgarnituren, Kerzenleuchter, Tisch- und Stehlampen oder Spiegel wurden vielfach produziert.

In diesen Jahren orientierte sich Karl Hagenauer an ornamentalen und formalen Stilen. Hier folgte er dem Trend, welchen die Wiener Werkstätte, Josef Hoffmann oder Dagobert Peche vorgaben. Gleichzeitig entstanden aber auch schon Objekte, die heutzutage den typischen Wiedererkennungswert, für die Werkstätte Hagenauer haben: Geometrische Konturen und reine Formen dominierten, wohingegen das funktionslose Ornament zu schwinden begann.

Ein solches Beispiel, welches man als Übergangswerk bezeichnen könnte, ist ein ornamentaler Wandspiegel, um ca. 1928. Es ist ein Entwurf eines dekorativen Spiegels. Der Rahmen ist mit geometrischen Elementen und stilisierten Tierfiguren in durchbrochener Technik geschmückt. Zwischen den reduzierten floralen und geometrischen Ornamenten findet man einen Hund, einen Reiher und einen Vogel. Ihre weichen Linien lockern die strenge Komposition des Rahmens auf.

Die Formensprache erinnert stark an den Einfluss der Wiener Werkstätte. Besonders wenn es um Tierornamente geht, erkennt man die fantasievolle Ornamentik, die ganz klassisch für Dagobert Peche war. Jedoch zeigt sich auch gleichzeitig die deutliche Entwicklung zur Reduktion in Figuren und Verzierungen. Ein Stil, welcher für den Namen Hagenauer prägend wurde und später für die Werkstätte stehen sollte.

Ornamentaler Wandspiegel aus dem Jahr 1928

Ornamentaler Wandspiegel im Detail mit Reiher

Diese Richtung zeigte sich auch vor allem bei einigen Vasen, Dosen und Schalen. Insbesondere größere Tierfiguren, die selbstverständlich auf Dekorationszwecke beschränkt waren, ließen in ihrem Aussehen viele Dekorationen hinter sich. Eine verspielte Eleganz, verstärkt durch Form und wenig Dekoration, wurde charakteristisch unter der Führung Karl Hagenauers und spiegelte die sich verändernde Zeit wider.

Es waren aber vor allem die Werkstoffe, welche in der Werkstätte Hagenauer die Zeit reflektierten. Alpaka, Kupfer und vor allem Messing gehörten zu den Materialien, die überwiegend verwendet wurden. Besonders Messingprodukte waren sehr beliebt. Der oben erwähnte ornamentale Wandspiegel ist ebenfalls aus Messing.

Zu diesem Werkstoff gab es außerdem unterschiedliche Verarbeitungsmethoden. Einerseits gab es Messingblech getriebene oder ziselierte Gegenstände, und andererseits gab es das Sandgussverfahren. Hier wurden die Objekte anschließend auf Hochglanz poliert.

Ornamentaler Wandpsiegel im Detail mit Hund
Skizze des ornamentalen Wandspiegels, mit klar zu erkennendem Hund

Wie sein älterer Bruder Karl, besuchte Franz Hagenauer den sehr gefragten Jugendkunstkurs von Franz Cizek in Wien. Als er dann sein reguläres Studium begann hatte er eine klare Vorstellung von seiner Zukunft. Schon früh wusste er ganz genau was er wollte. Auf dem Anmeldebogen unter Berufswunsch schrieb er: Bildhauer.

Doch bis dahin war es noch ein langer Weg und Franz Hagenauer hatte einige Hürden zu bewältigen. Beeinflusst wurde Franz von den tschechischen Kubisten, die formal stark mit Prismen und dem Pyramidenvokabular arbeiteten. Andere Einflüsse während seiner Studienzeit waren der Expressionismus und der Kinetismus. In jener Zeit arbeitete Franz viel an Gipsschnitten, Keramiken und Treibarbeiten. Er wurde allerdings in seiner Studienzeit von Cizek zuerst nur mit einem ”Befriedigend” bewertet.

Franz Hagenauer

Doch sein erster großer Erfolg war nicht weit entfernt. Seine weitere Ausbildung folgte unter dem Bildhauer Anton Hanak in Wien. Und im Schuljahr 1922/ 23 erhielt er bei einem Wettbewerb von der Wiener Werkstätte einen Preis von einer Million Kronen (heute rund 670 Euro) für eine sehr gut gelungene Blechplastik.

In seinem letzten Schuljahr belegte er auch einen Kurs in Gürtlerei und Metalltreiben bei Josef Hoffmann. Da Hoffmann sein Talent sofort erkannte, genoss er nicht nur dessen Unterricht, sondern durfte bei ihm auch arbeiten. Dies war eine ausgesprochen große Ehre für den jungen Bildhauer. Allerdings besuchte er diesen Kurs nur für wenige Wochen, da er wegen Arbeiten für die Pariser Weltausstellung von 1925 freigestellt wurde. Sein Studium war nun großteils zu Ende. Nach schwierigen Anfängen waren der Erfolg und die Anfragen nach Arbeiten groß. Seinem Traum professioneller Bildhauer zu werden, stand nichts mehr im Wege.

”Raum der Metalle” oder auch ”Kultraum” bei der Pariser Weltausstellung von 1925

Im gleichen Jahr allerdings musste Franz Hagenauer einen kleinen Rückschlag erdulden. Im Fachmagazin Deutsche Kunst und Dekoration erschien ein Artikel über die Werkstätte Hagenauer, in dem Blechplastiken von Franz stark kritisiert wurden.

Detailbild, ”Kultraum” der Pariser Weltausstellung, 1925

Doch daraufhin folgte sogleich Lob über die Ausstellungsstücke auf der Pariser Weltausstellung. Der ”Raum der Metalle”, gestaltet von SchülerInnen Hanaks, wurde von Kritikern als Blechwerkstätte beschrieben, als ”Kultraum” gepriesen, und wurde als Beispiel der Leidenschaft einer professionellen Arbeitsweise gelobt.

Franz Hagenauer, Getriebene Messingfigur zu Pferd, 1925/ 26

Franz Hagenauer, Getriebene Messingfigur, 1925/ 26

Nach dem Erfolg auf der Weltausstellung folgte eine Zeit der Arbeit und ein weiterführendes Studium für Franz. In den späten 20ern begann Franz im Familienunternehmen zu arbeiten. Jedoch ist nicht sicher, wann genau er in der Werkstätte Hagenauer zu arbeiten begann, da nur wenige Werkstücke explizit mit seiner Marke signiert wurden. Außerdem verlor er während der Arbeit für die Familie nicht sein Ziel aus den Augen Bildhauer zu werden. 1928 begann er offiziell eine Ausbildung im Gürtler Gewerbe. Demnach sind Werke von Franz Hagenauer für die Werkstätte Hagenauer aus den späten 1920ern etwas ganz Besonderes.

Eines dieser Werkstücke von damals (um 1927 bis 1930) wird auch zur Zeit im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer angeboten. Es ist eine Messingschale aus gegossenem, durchbrochenem und ziseliertem Messing. Auf ihr sind Figuren in langen Gewändern zu sehen. Ihre Gesten, betend und preisend, weisen auf christliche Heilige hin. Bei einigen dieser Figuren sind auch Heiligenscheine zu erkennen. Jedoch sind auch andere auf der Schale nicht zu übersehen. Eine davon ist zum Beispiel ein Reiter zu Ross, bei dem es sich möglicherweise auch um das Abbild eines christlichen Heiligen handeln könnte.

Detailbild der Messingschale, Reiter zu Ross

Florale Elemente, die geometrisch angeordnet sind und stilisierte Tierfiguren, verbinden die unterschiedlichen Episoden der sakralen Figuren miteinander. Es ist faszinierend, wie hier religiöse mit eher profanen Motiven zueinander in Beziehung gebracht werden. Segensprechende Figuren, höfische Reiter, Tiere und florale Elemente ergeben zusammen ein stilsicheres Gesamtbild einer gut gelungenen Messingschale.

Messingschale, Gesamtansicht

Die Inspiration zu dieser Schale von Franz Hagenauer lässt sich auf Arbeiten für die Pariser Weltausstellung von 1925 zurückführen. Wie schon erwähnt, stellte Franz zusammen mit anderen SchülerInnen Franz Hanaks im dortigen ”Kultraum” Werkstücke aus. Viele jener Arbeiten weisen ähnliche Muster wie bei die Messingschale auf, bei denen sakrale Szenen mit weltlichen Motiven verbunden wurden.

Detailansicht der Messingschale, Sakrale Szene mit Heiligen und floralen Elementen

Diese Messingschale ist ein exzellentes Zeugnis von einem jungen, viel versprechenden Künstler, der nach harter Arbeit und kleineren Rückschlägen, sich weiterhin auf sein Ziel fokussierte und Gelerntes anwendete.

Loetz Vasen haben eine lange Tradition, die sich seit dem 19. Jahrhundert mehrfach entwickelt hat und die Glaskunst selbst hat eine noch längere Geschichte. Schon im alten Ägypten, vor über 3000 Jahren, fertigten Glasbläser Vasen an, die den Loetz Vasen gar nicht so unähnlich sind. Die alten Ägypter produzierten Glas und Glasgefäße aus Quarz gemischt mit Pflanzenasche, in Öfen. Die meisten dieser Glasvasen wurden in blau, der Farbe des Nils, die Lebensquelle der Ägypter, hergestellt. Den Glasbläsern gelang aber auch die schwierige Herstellung von rotem Glas. Hier musste das Glas in einer Umgebung ohne Sauerstoff befeuert werden, damit das Kupfer nicht oxidierte und sich blau verfärbte. Die Herstellung von rotem und blauem Glas war bei den Ägyptern eine heilige Kunst. Das Rezept der Glasproduktion, war auch bekannt als ,,das Geheimnis der Pharaonen‘‘. Und wie der Name schon sagt, waren Glasvasen und Glasschmuck ausschließlich den Pharaonen vorbehalten.

Altägyptische und Römische Glasgefäße, Antikensammlung, Kunsthistorisches Museum Wien, um 200 v. Chr.

Historismus in der Glaskunst

So wie bei der Herstellung von Loetz-Vasen Ideen, Themen und Motive aus der Natur übernommen wurden, wie zum Beispiel die Form von Blumenkelchen oder die Muster von Blüten und Pflanzenblättern, so haben auch die alten Ägypter Formen der Natur in ihren Glasgefäßen übernommen. Damals jedoch ähnelten die Muster eher Blättern, waren weniger bunt und wurden in den Farben beige, gelb oder braun gehalten. Aber der Grundgedanke der Ägypter war der gleiche wie der vieler Glaskünstler des 19. und 20. Jahrhunderts. Formen und Farben aus der Natur wurden übernommen und in Glaskunst eingefangen.

Im 19. Jahrhundert war der Historismus in der Glaskunst vorherrschend und auch bei Loetz dominierte zunächst der historisierende Geschmack. Erst viel später sollten sich einfachere Formen, von der Natur inspiriert, durchsetzen. 1879 übergab Susanne, Johann Loetz’ Witwe, die Firma an ihren Enkel, Maximilian von Spaun. Zusammen mit Eduard Prochaska modernisierte er die Firma und führte Innovationen und neue Techniken in die Glaskunst des Historismus ein. Zum Beispiel Intarsienglas, Oktopus Glas oder das sehr beliebte marmorierte Glas, welches das Aussehen von Edelsteinen imitierte.

Johann Loetz
Maximilian von Spaun, Der Enkel von Johann Loetz

Erfolge und Preise folgten in Brüssel, München und in Wien sowie auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1889. Allerdings blieb der ganz große Erfolg aus und bis heute sind die Loetz Glasvasen aus der Zeit des Historismus weniger gefragt und werden auch als weniger wertvoll gehandelt.

Es war 1897 als Maximilian von Spaun das Favrile Glas von Louis Comfort Tiffany zum ersten Mal in Böhmen und in Wien bewunderte. Dessen großer Erfolg blieb ihm nicht unbemerkt und er entschied sich dafür, dass der Art Nouveau Stil die Richtung war, in die sich auch Loetz weiterentwickeln sollte.

Die nächsten Jahre bis zur Jahrhundertwende sollten für Loetz die erfolgreichsten und künstlerisch spannendsten Jahre werden. Die Glasfabrik stellte eine neue Generation von Glasvasen her. Inspiration für diese Gefäßeq waren in der Natur selbst zu finden. Vasen wie Blütenkelche, angedeutete Blütenblätter oder mäandrierende Formen wie Flüsse schmückten das changierend bunte Glas. Fantasievolle Vasen, viele schimmernd wie Opal, entstanden zu jener Zeit.

Dekor Cytisus Neuroth, um 1901
Dekor Cytisus Neuroth im Deta

Pariser Weltausstellung

Durch die neue Stilrichtung arbeitete Loetz auch mit sehr bekannten KünstlerInnen zusammen, wie Franz Hofstötter, Josef Hoffmann und Koloman Moser. All jene kreierten Designs und Entwürfe für Loetz Vasen. Der Höhepunkt jenes Zusammenarbeitens war im Jahr 1900 als Loetz bei der Pariser Weltausstellung Geschichte schrieb. Neben Tiffany, Gallé, Daum und Lobmeyr gewann Loetz den Grand Prix. Die Firma erhielt die Auszeichnung für die Phänomen Genre-Serie, die hauptsächlich in Zusammenarbeit mit Hofstötter kreiert wurde.

Im Kunsthandel Nikolaus Kolhammer wurde zuletzt eine Loetz Vase, entworfen von Franz Hofstötter für eben jene Weltausstellung im Jahr 1900, angeboten und verkauft. Es ist das Ausstellungsphänomen Genre 387 ,,Rosa mit Silber‘‘. Diese Vase ist ein typisches Beispiel für Hofstötters Designs, da die Oberflächengestaltung von der Natur inspiriert ist. Alle Elemente, Erde, Luft und Feuer, welche für die Herstellung von irisierendem Glas vereint werden müssen, werden in der Vase dargestellt. Der Fuß der Vase, in dunkelbraun, ist in der Farbe der fruchtbaren Erde gehalten. Darauf folgen gewebte, fließende Fäden in silbern und hellblau, die sich mäandrierend an der Vase entlangwinden. Sie werden als Luft und Atmosphäre interpretiert und darauf folgen weitere orangene und rosa Fäden, die wie Feuer selbst auf der Vase zu sehen sind und ihr einen fast glühenden Eindruck verleihen.

Oberflächengestaltung der Weltausstellungsvase im Detail. Der Fuß ist in Erdtönen gehalten. Darauf folgen fließende, Atmosphäre-ähnliche Fäden
Ausstellungsphänomen Genre 387 ,,Rosa mit Silber‘‘

Mitte des 19. Jahrhunderts ordnete Kaiser Franz Josef I an, die Bastionen des ersten Bezirks aufzulassen, um die prächtige Ringstraße zu errichten. Von 1858 bis 1874 war Wien eine riesige Baustelle und in jener Zeit wurden die heute weltbekannten Gebäude der Wiener Ringstraße erbaut, darunter die Museen, die Theater oder das Rathaus. So beginnt die Geschichte der Werkstätte Hagenauer.

Es war eine Zeit des Aufschwungs und all diese neuen Projekte boten KünstlerInnen und HandwerkerInnen viele Möglichkeiten auf Arbeit. Das Wiener Kunstgewerbe erlebte eine noch nie dagewesene Hochblüte. Außerdem kam es im Bronzeguss zu einem technischen Durchbruch. Das aufwendige Wachsausschmelzverfahren wurde durch das Sandgussverfahren ersetzt. Dadurch blieb die Gussform erhalten und eine Figur konnte unbegrenzt nachgegossen werden. Die Wirtschaft florierte und fortan konnten Bronze und Eisengegenstände industriell in Serie gefertigt werden. Das aufsteigende und immer reicher werdende Bürgertum war zahlender Kunde.

Fast zur gleichen Zeit begann Carl Hagenauer seine Lehrzeit bei der Wiener Silberwarenfabrik Würbel & Czokally. Er erhielt eine klassische Ausbildung an historisch orientierten Designs, besonders der Renaissance. Die Silberwarenfabrik spezialisierte sich auf ,,kunstgewerbliche Gegenstände‘‘ wie Tafelaufsätze, Schüsseln und Tassen.

Carl Hagenauer um 1910 im Familienglück

Nachdem er in Pressburg seine Gesellenzeit bei dem Goldschmiedemeister Bernauer Samu abschloss, gründete er dort im wirtschaftlichen Zentrum nicht nur seine erste Werkstatt, sondern auch eine Familie.

Doch wenige Jahre später zog es ihn und seine Familie wieder nach Wien, wo er in der Zieglergasse 39 seine eigene Werkstatt eröffnete. Die Kundschaft in Wien und die Möglichkeiten, die sich um die Jahrhundertwende entfalteten, waren in der Hauptstadt einfach größer.

Zuerst entwarf er klassische Wiener Bronzewaren basierend auf Vorbildern der Antike, Renaissance und dem Barock. Alles, was dem damaligen Zeitgeschmack entsprach.

Die Zeit des Jugendstils

Mit dem Aufkommen des Jugendstils in Wien fand Carl Hagenauer seine wahre Leidenschaft. Asymmetrische Gestaltung und fließende Linien, die charakteristischen Elemente des Jugendstils, fanden ihren Weg in sein Handwerk. Carl Hagenauer produzierte fortan Bronzefiguren, Reliefs und Lampen in dieser immer beliebter werdenden Kunstrichtung. Nicht nur in Wien, sondern europaweit wurde er zu einem der gefragtesten Künstler im metallverarbeitenden Kunstgewerbe.

Carl Hagenauer ermöglichte es seinen Kindern an seinem Erfolg anzuknüpfen und bot ihnen die bestmögliche Ausbildung. Sein Sohn, Karl, wurde in die Kunstgewerbeschule eingeschrieben. Dort besuchte er den sehr gefragten Jugendkunstkurs von Franz Cizek. 1912 begann Karl sein reguläres Studium in Architektur und wurde von Meistern wie Josef Hoffmann unterrichtet. Doch 1916 musste sich Karl, wie alle junge Männer Europas, ihrem Schicksal beugen. Er wurde ins Militär einberufen, geriet allerdings schnell in italienische Gefangenschaft und als er 1919 nach Wien zurückkehrte, konnte er sein Studium beenden.

Karl Hagenauer nach abgeschlossenem Studium

Nach seinem erfolgreich abgeschlossenen Studium beauftragte Hoffmann seinen ehemaligen Schüler, direkt Objekte für die Wiener Werkstätte zu kreieren. Er entwarf eine Vielzahl an Elfenbeinobjekten, die von einer Schnitzerin in der Werkstatt Hagenauer gefertigt wurden. Die entstandenen Kreationen erinnern auf Grund ihrer ornamentalen Dichte und Stils sehr an Dagobert Peches und wurden auch fälschlicherweise einige Zeit ihm zugeschrieben.

Karl Hagenauer, Fächer aus Elfenbein, 1923

Die Produktpalette der Werkstätte Hagenauer

Die Produktpalette der Werkstätte Hagenauer wuchs in den 1920er Jahren stark an. Neben Dosen, Schalen Aufsätzen oder Schreibgarnituren wurden nun auch Kerzenleuchter, Tisch- und Stehlampen erzeugt und verkauft. Darunter zählen auch ein Paar Kerzenleuchter, die zurzeit in der Galerie Nikolaus Kolhammers angeboten werden. 1928 erschienen sie im Verkaufskatalog, aber da sie noch nicht mit dem typischen Firmensignet ,,wHw‘‘ im Kreis markiert sind, konnte man sie auf 1920 datieren.

Das Paar Kerzenleuchter aus Messingvollguss sind ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, woran sich Karl Hagenauer in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg orientierte. Geometrische Muster und die geschwungene Form der Kerzenleuchter gehen Hand in Hand mit den Ornamenten überein. Jene stilisierte Tierfiguren und die blütenähnlichen gestalteten Tülle erinnern an die Arbeiten von Dagobert Peches. In der Formensprache ist der Einfluss der Wiener Werkstätte klar zu erkennen.

Doch gleichzeitig setzen sich in diesem Werk auch schon geometrische Konturen durch. Außerdem beginnt die reine Form der Kerzenleuchter über das funktionslose Ornament zu bestimmen. Die Tierfiguren sind hier ganz und gar Dekoration, dennoch wirken sie elegant und verspielt, im Einklang mit dem Paar Kerzenleuchter. Die Gleichmäßigkeit der Füße und Arme weist schon auf das Design des frühen Art Déco hin, sie sind ein wunderbares Beispiel für den frühen Stil von Karl Hagenauer.

Hier geht’s zum 2. Teil

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