“Aufsatz” mit Henkeln, Entwurf Josef Hoffmann, Ausführung Wiener Werkstätte, um 1925, Alpaka, getrieben, Hammerschlagdekor, markiert
markiert mit , “WIENER / WERK / STÄTTE”, “JH” für Josef Hoffmann und “MADE / IN / AUSTRIA”
Lit.: Entwurfszeichnung von Josef Hoffmann für “Aufsatz”, Mod. Nr. S sh50 im Archiv der Wiener Werkstätte im MAK, Inv.Nr. KI 12059-9; dokumentiertes Foto Mod. Nr. M sh 17 im Archiv der Wiener Werkstätte im MAK, Wien, Inv. Nr. WWF 114-6-2; dokumentiertes Foto im Archiv der Wiener Werkstätte im MAK, Wien, Inv. Nr. WWF 114-10-1; vgl. Ausstellungskatalog “Josef Hoffmann 1870-1956. Fortschritt durch Schönheit. Das Handbuch zum Werk”, hrsg. von Christoph Thun-Hohenstein, Matthias Boeckl, Rainald Franz und Christian Witt-Dörring, MAK, Wien 2021/22, Abb. S. 229, Nr. 11; Katalog der Wiener Werkstätte 1928 (Neuauflage, hrsg. von Waltraud Neuwirth, Wien 2004), S. 405, Nr. M sh 17; vgl. Waltraud Neuwirth, Wiener Werkstätte – Avantgarde, Art Déco, Industrial Design, Wien 1984, Abb. S. 191, Nr. 150
Josef Hoffmann, eine zentrale Figur des österreichischen Jugendstils und der Wiener Secession, war maßgeblich für den Übergang vom floralen zum geometrischen Jugendstil verantwortlich. Sein Stil vereinte funktionale Raffinesse mit dekorativer Eleganz.
Ein herausragendes Beispiel für seine Entwurfskunst ist dieser Aufsatz mit Henkeln, der üblicherweise aus Messing gefertigt wird, hier jedoch außergewöhnlicherweise aus Alpaka hergestellt wurde. Nur 20 solcher Exemplare sind im MAK-Archiv verzeichnet, was dieses Stück zu einem besonders begehrten Sammlerobjekt macht. Die Form des Aufsatzes ist schlicht und doch raffiniert, mit elegant geschwungenen, rokokohaft verspielten Griffen, die dem Stück die Spitznamen „Lockenpokal“ und „Kringelpokal“ eingebracht haben. Die Griffe sowie die gehämmerten Oberflächenstrukturen verleihen dem Aufsatz ornamentale, dekorative Elemente, die direkt aus seiner Herstellung und Funktion hervorgehen und – ganz gemäß den Grundsätzen des modernen Kunsthandwerks – keinen nachträglichen Zierrat darstellen.
Diese Philosophie entspricht auch den Prinzipien der Wiener Werkstätte, die handwerkliche Exzellenz und die Einheit von Form und Funktion betonte. Jedes Stück war ein Zeugnis höchster Handwerkskunst, bei dem der Wert nicht nur in der ästhetischen Schönheit, sondern auch in der Präzision und Hingabe sowohl des Entwerfers als auch des Handwerkers lag.
Der Aufsatz ist im Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien sowohl durch historische Fotografien als auch Zeichnungen dokumentiert.
Josef Hoffmann (Pirnitz 1870– 1956 Wien), Mitbegründer der Wiener Secession und der Wiener Werkstätte, war ein äußerst produktiver und vielfältiger Architekt und Entwerfer. Er hat im Laufe seiner Karriere mit diversen Formen, Techniken und Materialien experimentiert. Er erzielte in seinen Entwürfen eine starke Reduktion der Form auf das Essentielle und war Wegbereiter des geometrischen Jugendstiles. So entstand sein charakteristischer, geometrischer Stil. Der Umfang seiner Entwürfe geht von Gebäuden über gesamten Inneneinrichtungen, gemäß dem Konzept des Gesamtkunstwerks, bis hin zu kleinen Detailstücken des Alltags. Eines seiner wesentlichsten Werke ist das Palais Stoclet in Brüssel, ein Gesamtkunstwerk welches er unter anderem in Zusammenarbeit mit Gustav Klimt und Koloman Moser für einen wohlhabende Unternehmer zwischen 1905 und 1911 ausgeführte.
Wiener Werkstätte 1903 – 1932
Die Wiener Werkstätte(n) waren eine nach dem Vorbild der Arts und Crafts-Bewegung gegründete Produktionsgemeinschaft, die eine Plattform für künstlerisch gestaltetes und hochwertig ausgeführtes Kunsthandwerk bieten wollte. Oder, wie es G. Fahr-Becker formuliert „…es war eine Werkstätte, die viele unter sich versammelte, ein Kunstwerk als Resultat aller Künste.“
1903 von Josef Hoffmann, Koloman Moser und dem Industriellen Fritz Waerndorfer gegründet, produzierte und vertrieb die Wiener Werkstätte (WW) anfänglich nur Metallobjekte. Das Sortiment wurde in Folge rasch auf Möbel, Einrichtungsgegenstände, Textilien, Schmuck, Accessoires aus Keramik und Glas, Leder etc. ausgeweitet.
Vertrieben wurde das vielfältige Angebot in den eigenen Geschäftsräumlichkeiten in Wien und zeitweise auch in den Filialen in Zürich und New York.
Die Gründerväter und künstlerischen Leiter J. Hoffmann und K. Moser verfolgten ursprünglich das Ideal der künstlerischen Durchdringung aller Lebensbereiche im Sinne des Gesamtkunstwerks. Dieser radikale Anspruch ließ sich nur in einigen wenigen zeitgenössischen Projekten verwirklichen, die vornehmlich von mäzenatenhaften Großbürgern in Auftrag gegeben wurden. Eindrucksvolle Beispiele dafür sind das Palais Stoclet in Brüssel oder die Villa Skywa-Primavesi in Wien.
In den ersten Jahren noch ganz einem streng-geometrischen Stil verpflichtet, wurde dieser Funktionalismus bald auch um gefälligere Formen erweitert. Als Vertreter einer dekorativeren Linie sei hier Dagobert Peche erwähnt, der mit seiner verspielt-fantasievollen Ornamentik Entwürfe für alle Sparten der WW beisteuerte.
Einen wichtigen kreativen Beitrag, speziell in den dekorativen Sparten der WW, lieferten ab circa 1915 die weiblichen Künstlerinnen der Wiener Werkstätte. Am bekanntesten sind wohl die keramischen Künstlerinnen Vally Wieselthier oder Gudrun Baudisch. Die Bedeutung vieler dieser Designerinnen wurde erst in den letzten Jahren in gebührendem Ausmaß gewürdigt*.
Das zunehmend schwierige ökonomische Umfeld nach dem Ersten Weltkrieg führte zur Liquidierung der WW im Jahr 1932. Gabriele Fahr-Becker schreibt dazu: „Die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen die Wiener Werkstätte zeit ihres Bestehens zu kämpfen hatte, resultierten nicht vorrangig aus wirtschaftlicher Unkenntnis, sondern gründeten darin, dass man das breite Publikum nicht als Käufer erreichen konnte“ (G. Fahr-Becker, Wiener Werkstätte, Taschen 1994, S. 12).
Über die relativ kurze Zeit ihres Bestehens hinaus übte die Wiener Werkstätte einen nachhaltigen Einfluss aus. Kunsthandwerk sowie Angewandte Kunst wurde entscheidend aufgewertet und eine ganze Generation von Architekten, Künstlern und Designern wurden vom Kunstwollen ihrer Gründerväter beeinflusst.
*Lit.: C. Thun-Hohenstein, A.-K. Rossberg, E. Schmuttermeier (Hg.), Die Frauen der Wiener Werkstätte, Ausstellungkatalog MAK, Wien 2020
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