Weinglas Römer Lila mit Schliffdekor, Otto Prutscher, Johann Meyr’s Neffe Adolf, um 1910
Lit.: abgebildet in Dedo von Kerssenbrock-Krosigk (Hg.), “Glasklar. Festschrift für Helmut Ricke”, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2013, S. 94, Modell Nr. 2907
Nicht vorrätig
Otto Prutschers Gläser mit Schliffdekor aus den Jahren 1907-1912 gehören zu den hervorragenden Entwürfen des geometrischen Wiener Jugendstils.
Wie auch bei anderen Weingläsern ist ihr Stiel in der für Prutscher typischen Art kettenartig durchgeschliffen. Der wellenartige Dekor der Kelche ist bereits 1907 auf Stoffentwürfen Prutschers dokumentiert. Im Gegensatz zum originalen textilen Entwurf kommt auf dem Glas das Spiel der ausgeschliffenen Wellen mit den eingeätzten gelben Linsen noch besser zur Geltung.
Die Stängelgläser aus farblosem Kristallglas wurden zunächst farbig überfangen, wie hier in Blau oder Lila. Anschließend wurde das wellenartige Muster mit dem Rad herausgeschliffen und dann mit gelber Ätzfarbe eingefärbt. Auch das breite, durchsichtige Wellenband mittig auf der Kuppa ist gänzlich mit dem Rad ausgeschnitten, was von der hohen technischen Meisterschaft in der Glashütte Meyr’s Neffe zeugt.
Der Wiener Architekt und Kunstgewerbetreibender Otto Prutscher (Wien 1880 – 1949 Wien) gilt als wichtiger Vertreter des österreichischen Jugendstils. Als Schüler von Josef Hoffmann und Franz Matsch zeichnete er sich für viele Entwürfe der Wiener Werkstätte und Wiener Wohnhausanlagen verantwortlich. Er war nicht nur als Entwerfer aktiv, sondern auch als Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Wien. War sein Stil anfangs noch deutlich von den Arbeiten Hoffmanns beeinflusst, erkennt man bereits ab 1906 eine deutliche stilistische Eigenständigkeit. Zwischen 1906 und 1915 entstehen wundervoll reduzierte Arbeiten ganz im Sinne des Gesamtkunstwerkes des österreichischen Jugendstils. Dabei sind besonders die Arbeiten der Kunstschau 1908 und der Werkbundausstellung 1914 hervorzuheben. Ab 1915 wird der Einfluss von Prutschers Kollegen Dagobert Peche in seinen Arbeiten deutlich. Sein Stil wird moderner und floraler, aber nicht so filigran wie die Arbeiten von Peche. Otto Prutscher verliert nie seine Eigenständigkeit und Inspiration. Auch die Glasarbeiten von 1908 bis 1916 verdienen hier eine gesonderte Erwähnung. Seine Wein- und Likörgläser aus dieser Zeit sind heute bei Sammlern auf der ganzen Welt äußerst gefragt.
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