Kleiderständer Mod. Nr. 10414, Schule Otto Wagner, Gebrüder Thonet, um 1905
Modellnummer 10414
Lit.: Giovanni Renzi, „Il mobile moderno“, Silvana Editoriale Spa, Milano 2008, S. 128-129.
Die 1853 gegründete Firma „Gebrüder Thonet“ war weltweit bekannt für ihre Bugholztechnik. Diese Technik ermöglichte neue Formen, die den Alltagsgegenständen der Zeit eine frische Erscheinung verliehen. Obwohl dieser Entwurf nicht eindeutig auf einen Künstler zurückzuführen ist, lässt er sich trotzdem durch seine formalen und stilistischen Eigenschaften in die Schule Otto Wagner einordnen.
Der Entwurf für diesen Kleiderständer wurde zum ersten Mal 1905 von der Firma Gebrüder Thonet gezeigt. Das unter Dampf gebogene Buchenholz und der symmetrische Aufbau mit seinen 12 Kleider- und Huthaken ergibt eine harmonische und ausgewogene Struktur. Die mahagonifarben gebeizte Ausführung ist charakteristisch für Möbelstücke der Gebrüder Thonet und traf damals genau den Nerv der Zeit. Dieser Kleiderständer wurde in der im Jahre 1862 errichtete Fabrik in Bistritz am Hostein produziert. Der Entwurf war so erfolgreich und beliebt, dass die Firma Jacob & Josef Kohn im Jahre 1916 ein sehr ähnliches Stück präsentiert hat.
Otto Wagner (Wien 1841 – 1918 Wien) war einer der wegweisenden Architekten der Wiener Moderne und leitete in Österreich die Abkehr vom überladenen historistischen Stil ab. Innovativ setzte er in Architektur und Design sein Postulat um, dass die Form der Funktion folgen müsse und setzte in seinen Projekten konsequent neue Materialien ein, wie z.B. Aluminium oder Bugholz.
Zu seinen Hauptwerken zählen das Postsparkassengebäude in Wien, die Kirche am Steinhof und die drei Wienzeilenhäuser. Mit seinem Projekt der Stadtbahn in Wien setzte er zudem städtebauliche Maßstäbe.
Als bereits arrivierter Architekt unterrichtete er 1894 – 1915 an der Akademie der bildenden Künste in Wien und übte damit großen Einfluss auf die Nachfolgegenerationen der Wiener Architekten aus.
In den Jahren 1899 – 1905 war er zudem Mitglied der Wiener Secession und wurde ein wichtiger Mentor namhafter Schüler und Mitarbeiter, darunter Joseph Maria Olbrich, Josef Hoffmann oder Gustav Siegel.
Mit seinen Gebäuden verkündete er den Baustil des 20. Jahrhunderts, wie Berta Zuckerkandl es formulierte, und schaffte in seinem Möbel-Design ikonische Klassiker, deren Ästhetik teils weit ihrer Zeit voraus war.
Der Name Thonet steht wie kein anderer Firmenname für Wiener Jugendstil-Möbel aus gebogenem Holz. Der „Wiener Kaffeehausstuhl“ aus dem Jahr 1859 mit der Modellnummer 14 hat es als Möbel-Ikone sogar in die Designgeschichte geschafft.
Michael Thonet (Boppard 1796 – 1871 Wien) begründete die Erfolgsgeschichte der Gebrüder Thonet im Jahr 1842, als die Firma das Patent für die Erzeugung von Bugholz erhielt. Bis in die 1860er Jahre hatten er und seine Söhne faktisch das Monopol auf diese innovative Technik, Holz unter Einwirkung von Wasserdampf zu biegen, um daraus Sessel und andere Einrichtungsgegenstände herzustellen.
Die Bugholztechnik hatte das europäische Möbeldesign des 19. Jahrhunderts revolutioniert, weil es die Entwicklung vom handwerklichen Tischlerei-Erzeugnis hin zur industriell-seriellen Produktion ermöglichte. Thonet schaffte diesen Sprung von der Manufaktur zur industriellen Serienproduktion unter Einhaltung hoher Qualitätsstandards.
Ästhetisch am Puls der Zeit beauftragte Thonet namhafte zeitgenössische Architekten mit dem Entwurf der Möbel, so z.B. Otto Wagner, Josef Hoffmann, Marcel Kammerer oder Otto Prutscher.
Die modernen Einrichtungsobjekte Thonets wurden auf vielen internationalen Ausstellungen in Europa und Übersee präsentiert und wurden vielfach ausgezeichnet. Den großen kommerziellen Erfolg verdankte die Firma auch dem dichten Vertriebsnetz mit Niederlassungen in allen wichtigen europäischen Metropolen.
Im Jahr 1922 fusionierte Thonet mit der Firma Mundus, die bereits 1914 die Firma J. &. J. Kohn übernommen hatte.
Einrichtungsgegenstände der Gebrüder Thonet finden sich in Sammlungen wichtiger Museen, so z.B. im Museum für Angewandte Kunst in Wien (MAK) oder im Vitra Design Museum in Weil am Rhein.
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